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"Ehe für Alle" tritt am 1. Juli 2022 in Kraft

Gleichgeschlechtliche Paare können ab 1.7.2022 heiraten oder ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln. Sie haben gleiche Rechte und Pflichten wie ein gemischtes Paar. Bestehende eingetragene Partnerschaften können weitergeführt werden, neue eingetragene Partnerschaften sind ab dem 01.07.2022 nicht mehr möglich. 

Am 26. September 2021 hat der Souverän die Vorlage „Ehe für alle“ mit einer klaren Mehrheit der Stimmberechtigten und aller Kantonen angenommen. Zwei Männer oder zwei Frauen können sich ab dem 1.7.2022 heiraten oder ihre eingetragene Partnerschaft jederzeit in eine Ehe umwandeln. Für die Umwandlung der eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe genügt die gemeinsame Erklärung der zwei Partnerinnen oder Partner gegenüber der Zivilstandbeamtin oder dem Zivilstandbeamten.

Ab wann gelten die neuen Bestimmungen?

Die „Ehe für alle“ tritt auf den 1.7.2022 in Kraft. Das Gesuch um Durchführung des Ehevorbereitungsverfahrens kann bereits heute beim zuständigen Zivilstandsamt eingereicht werden. Ab 1.7.2022 können keine neuen eingetragenen Partnerschaften mehr begründet werden.

Gleichgeschlechtlicher Paare, welche im Ausland geheiratet haben und in der der Schweiz als eingetragene Partnerschaften registriert sind, unterstehen ab 1.1.2022 dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. (Art. 9g Abs. 2 Schlt ZGB).

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Heiratsgesuche und Umwandlungsgesuche können bereits heute gestellt werden. Die Zivilstandsämter bieten auf ihren Webseiten bereits Termine und „Umwandlungszeremonien“ im feierlichen Rahmen ab dem 1.7.2022 an. Auf Antrag kann die Umwandlungserklärung im Trauungslokal in Anwesenheit von Zeuginnen oder Zeugen in einer der Eheschliessung ähnlichen Zeremonie entgegengenommen werden

Geltendes Recht: Eingetragene Partnerschaft (Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare, Partnerschaftsgesetz, PartG vom 18.Juni 2004; SR 211.231)

Seit 2007 können gleichgeschlechtliche Paare ihre Beziehung als „eingetragene Partnerschaft“ anerkennen lassen (Art. 2 PartG). Die eingetragene Partnerschaft ist verfahrensmässig der heterosexuellen traditionellen Ehe angeglichen. Die „eingetragenen Partner“ leben jedoch unter dem gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung und nicht unter der Errungenschaftsbeteiligung wie traditionelle Eheleute. Die eingetragene Partnerschaft kennt somit keine Beteiligung an der Errungenschaft (am finanziellen Erfolg) des anderen Partners. Der ausländische Ehegatte kann von der erleichterten Einbürgerung Gebrauch machen, die eingetragene ausländische Partnerin nicht. Eingetragene Partner können zwar die Kinder des Partners oder der Partnerin, jedoch nicht gemeinsam ein (fremdes) Kind adoptieren. Sie sind auch bezüglich der Fortpflanzungsmedizin nicht gleichgestellt.

Heirat

Die Ehe ist im zweiten Teil „Familienrecht“ des Zivilgesetzbuches (ZGB) geregelt. Die Artikel 90ff. ZGB gelten neu auch für gleichgeschlechtliche Paare. Die Bestimmungen über die Ehevoraussetzungen, das Verfahren und die Trauung bleiben inhaltlich unverändert gleich und gelten neu gleichermassen für heterosexuelle und homosexuelle Paare. Der Gesetzestext wird lediglich sprachlich angepasst.

Gleichgeschlechtliche Ehepaare unterstehen somit ab 1.7.2022 ebenfalls dem gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung und können den gesetzlichen Güterstand ehevertraglich abändern oder mit einem Ehevertrag den Güterstand der Gütertrennung oder der Gütergemeinschaft wählen.

Namen

Die Gesetzesnovelle hat keinen Einfluss auf die Namensführung. Eine Änderung des Namens im Zusammenhang der Umwandlung der eingetragenen Partnerschaft ist nicht möglich.

Erleichterte Einbürgerung

Ab 1.7.2022 können auch die gleichgeschlechtlichen Ehepartner von Schweizerinnen und Schweizern von der erleichterten Einbürgerung nach Art. 21 Bürgerrechtsgesetz (BüG) Gebrauch machen. Die erleichterte Einbürgerung steht nach aktuellem Recht nur der ausländischen Ehefrau eines Schweizers oder dem ausländischen Ehemann einer Schweizerin offen. Nachdem die Hälfte der Ehe in der Schweiz einen Auslandbezug hat, ist diese Gleichstellung von wesentlicher Bedeutung.

Adoption und Samenspende

Bisher können gleichgeschlechtige Paare als eingetragene Partner das Kind ihres Partners oder ihrer Partnerin adoptieren. Die gemeinsame Adoption eines fremden Kindes ist nicht möglich. Ab 1.7.2022 können gleichgeschlechtliche Ehepaare gemeinsam ein Kind adoptieren. Es gelten die gleichen Voraussetzungen wie für heterosexuelle Ehepaare. Gemäss Art. 264 ZGB darf ein Kind adoptiert werden, wenn ihm die künftigen Adoptiveltern während wenigstens eines Jahres Pflege und Erziehung erwiesen haben. Die Ehegatten müssen im Zeitpunkt der Adoption 5 Jahre verheiratet sein oder beide das 35. Altersjahr zurückgelegt haben. Eine Person darf das Kind ihres Gatten adoptieren, wenn die Ehegatten seit mindestens 5 Jahren verheiratet sind. Es ist anzunehmen, dass die Jahre der vorangegangenen eingetragenen Partnerschaft angerechnet werden.

Ab Juli 2022 ist die gesetzlich geregelte Samenspende auch einem verheirateten Frauenpaar erlaubt. Gemäss Fortpflanzungsmedizingesetz (FmedG) bleiben die anonyme Samenspende, die Eizellenspende und die Leihmutterschaft hingegen weiterhin für heterosexuelle und gleichgeschlechtliche Paare verboten. Bei der Samenspende ist vorgeschrieben, dass der Spender in das Samenspenderregister eingetragen wird. Das verfassungsmässige Recht des Kindes, zu erfahren, wer sein biologischer Vater ist, ist damit gewährleistet. Das Register ist derzeit im Aufbau.

Umwandlung der eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe / Beibehaltung einer bestehenden eingetragenen Partnerschaft

Eingetragene Partner nach Partnerschaftsgesetz können ihre eingetragene Partnerschaft ab 1.7.2022 in eine Ehe umwandeln lassen. Sie stellen dazu gemeinsam ein schriftliches Gesuch beim Zivilstandsamt (Art. 35 Abs. 1 nPartG (geändertes Partnerschaftsgesetz). Es erfolgt keine automatische Umwandlung der bestehenden eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe.

Das Umwandlungsgesuch kann jederzeit und bereits heute gestellt werden. Die Umwandlung erfolgt jedoch erst ab 1.7.2022. Nach der Unterzeichnung der gemeinsamen schriftlichen Erklärung der eingetragenen Partner wird der Zivilstand im Zivilstandsregister geändert und als «verheiratet» eingetragen. Das gleichgeschlechtliche Ehepaar untersteht ab dem Zeitpunkt der Änderung (gemeinsames Gesuch) dem gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung (Art. 181 ZGB). Bestehende Vermögenverträge (Eheverträge) der bisherigen eingetragenen Partner bleiben in Kraft und müssen allenfalls mit einem Ehevertrag aufgehoben oder abgeändert werden. Im Todesfall des einen Partner erhält der überlebende Partner die Hälfte beider Vorschläge, die andere Hälfte der beiden Vorschläge fällt in den Nachlass, an dem sich der Witwer oder die Witwe gemeinsam mit den Nachkommen zur Hälfte beteiligt. Hinterlässt der verstorbene Ehegatte keine Nachkommen, jedoch noch Eltern, beträgt der gesetzliche Erbteil der Witwe, des Witwers ¾.

Bestehende eingetragene Partnerschaften bleiben weiterhin in Kraft. Die eingetragenen Partner haben Rechte und Pflichten gemäss PartG und leben weiterhin unter dem Güterstand der Gütertrennung. Sie können nicht von der erleichterten Einbürgerung profitieren oder gemeinsam Kinder adoptieren oder eine Samenspende verlangen.

Aufhebung der eingetragenen Partnerschaft/Scheidung

Die Auflösung (Aufhebung) einer eingetragenen Partnerschaft ist weiterhin nur vor dem Richter möglich. Die Nebenfolgen der Auflösung können wie bei der Scheidung einvernehmlich geregelt werden und bedürfen der richterlichen Genehmigung. Sind sich die eingetragenen Partner nicht einig, entscheidet der Richter im streitigen Verfahren.

 «Ehe für alle»-Paare mit Wohnsitz in der Schweiz unterstehen dem Schweizer Scheidungsrecht. Das Bundesgericht hat die Praxis zum Scheidungsrecht in den letzten Jahren grundlegend geändert.

Am 1.1.2017 wurde der Betreuungsunterhalt eingeführt, wonach das Kind neben seinem Barunterhalt auch einen Betreuungsunterhalt erhält, der jedoch dem betreuenden Ehegatten ausbezahlt wird. Damit wollte man Kinder aus freien Beziehungen den ehelichen Kindern gleichstellen. Bisher galt nach der «10/16er Regel», dass der betreuende Ehegatte, in der Praxis zumeist die Ehefrau, nicht ins Erwerbsleben eintreten musste, bis das jüngste Kind 10/12 Jahre alt war und folglich Frauenalimente erhielt. Danach musste die Mutter – je nach Kanton und Anzahl Kinder – zu ca. 30% bis 50% erwerbstätig sein. Ab dem 16 Altersjahr des jüngsten Kindes musste die alleinbetreuende Mutter eine «angemessene» Erwerbstätigkeit aufnehmen. Bei Paaren, die sich für das Alleinverdiener-Modell entschieden hatten, bezahlte der Ehemann bei langjährigen Ehen oft bis zu seiner Pensionierung Frauenalimente und musste der Ex-Ehefrau bei guten finanziellen Verhältnissen die Beibehaltung des bisherigen Lebensstandards ermöglichen.

Mit fünf Leiturteilen hat das Bundesgericht das Scheidungsrecht bahnbrechend umgebaut (Urteile BGer 5A_907/2018; 5A_311/2019; 5A_891/2018, 5A_104/2018 und 5A_800/2019). Heute gilt einheitlich in der ganzen Schweiz das Schulstufenmodell. In drei Urteilen (5A_311/2019/5A_891/2018/ 5A_800/2019 hat das Bundesgericht die Methode zur Berechnung aller Arten des Unterhalts (Barunterhalt des Kindes inkl. Betreuungsunterhalt, ehelicher Unterhalt, Scheidungsunterhalt) festgelegt. Künftig ist die Wahl der Methode nicht mehr den kantonalen Gerichten überlassen, was zu begrüssen ist. Zudem müssen die Berechnungsmethoden einheitlich angewendet werden; der Methodenmix ist verboten. Regelmässig muss der Unterhalt mit der sogenannten zweistufigen Methode mit Überschussverteilung berechnet werden. Die einstufige Methode, bei der der Unterhalt verlangende Gatte denn bisherigen Lebensstandard beweisen muss, kommt nur bei sehr guten Einkommensverhältnissen (CHF 1 Mio. und mehr) zu Anwendung. Geldunterhalt und Naturalunterhalt (Betreuung) gelten als gleichwertig, sodass der Gatte, der die Kinder betreut, regelmässig nicht auch noch für deren Kosten aufkommen muss. Für die Aufnahme der Erwerbstätigkeit des betreuenden Gatten gilt das Schulstufenmodell (BGE 144 III 481).

Danach gilt es als zumutbar, dass der hauptbetreuende Ehegatte ab der obligatorischen Einschulung des jüngsten Kindes 50% arbeiten muss, ab dessen Eintritt in die Sekundarstufe I 80% und ab Vollendung des 16. Lebensalters Vollzeit. In einigen Kantonen besuchen die Kinder bereits mit 4 Jahren in die Schulstufe 1 (Kindergarten, Stichtag 31.07.) Im Einzelfall sind nach richterlichem Ermessen die Entlastungsmöglichkeiten durch freiwillige vor- und ausserschulische Drittbetreuung (Kinderkrippe, Tagesmuster, schulergänzende Angebote wie, wie Mittagstisch und dopo scuola usw.) aber auch eine erhöhte Betreuungslast in Folge mehrerer zu betreuender Kinder oder Kinder mit erhöhtem Betreuungsaufwand zu prüfen.

In zwei weiteren Entscheiden (5A_907/2018 und 5A_104/2018) hat das Bundesgericht Regeln zum Scheidungsrecht geändert. Die «45er-Regel» wurde aufgehoben. Bisher war einem Ehegatten die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht mehr zumutbar, wenn er während der Ehe nicht berufstätig war oder im Zeitpunkt der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts bereits 45 Jahre alt war bzw. in diesem Zeitpunkt noch Kinder unter 10/12 Jahren betreute. Neu gehen die Gerichte davon aus, dass stets von der Zumutbarkeit einer Erwerbsarbeit auszugehen ist, soweit eine solche Möglichkeit tatsächlich besteht und keine Hinderungsgründe vorliegen wie die Betreuung kleiner Kinder. Massgebend sind der konkrete Einzelfall und somit Kriterien wie das Alter, die Gesundheit, die bisherige berufliche Erfahrungen, persönliche Flexibilität und die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Das Arbeitspensum nach dem Schulstufenmodell muss möglich und zumutbar sein. Das Bundesgericht fand es beispielsweise zumutbar, dass eine Informatikerin nach langer Kinderpause und der Scheidung als Pflegehilfe arbeiten muss und rechnete dieser Frau, die im schnelllebigen Informatikbereich keine Anstellung mehr fand, den Lohn einer Pflegehilfe bei der Berechnung der Scheidungsalimente an. Frauen, die ohne zwingenden Grund (Kinder, Auslandaufenthalt) den Job kündigen und den Haushalt führen, sich somit in die finanzielle Abhängigkeit des Ehemannes begeben, müssen die Konsequenzen aus der aufgegebenen Arbeitskarriere selbst tragen.

Eine lebensprägende Ehe gibt schliesslich Anspruch auf Beibehaltung des bisherigen ehelichen Lebensstandards. Lebensprägend war eine Ehe nach 10 Jahren oder unabhängig von der Dauer, bei einem gemeinsamen Kind. Neu muss die Lebensprägung im Einzelfall geprüft werden: Hat die konkrete Ehe das Leben der Ehegatten entscheidend geprägt? Dies ist dann der Fall, wenn einer der Partner seine Arbeit aufgegeben hat, um den Haushalt und die Kinder zu betreuen, und ein beruflicher Wiedereinstieg nach langjähriger Ehe nicht mehr möglich ist, während sich der andere Partner deswegen auf seine Karriere konzentrieren konnte. In diesem Fall erhält der Hausgatte eine Scheidungsrente, welche ihm in guten Verhältnissen den bisherigen Lebensstandard ermöglicht. Der Scheidungsunterhalt ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zeitlich angemessen zu befristen.

Das Bundesgericht hat sich mit diesen Praxisänderungen den veränderten Lebensumständen angepasst. Jüngere Paare teilen sich vermehrt Kinderbetreuung und Haushaltsführung, wobei die Hauptlast immer noch bei den Frauen liegt, welche in der Regel ca. 80% der Haushaltsarbeiten und der Kinderbetreuung übernehmen, während Väter sich mit einem Papitag begnügen(müssen). Das relativ hohe Lohnniveau erlaubt zwei Gatten, nicht mehr 100% arbeiten zu müssen. Das Bundesgericht stärkt mit der neuen Praxis «gleichberechtigte» Beziehungen, wo sich die gutausgebildete Gatten Erwerbsarbeit, Haushalt und Kinderbetreuung teilen. Dieses Familienmodell entspricht aber nicht der Realität. Laut Bundesamt für Statistik arbeiten bei Familien mit Kindern bis 12 Jahren mehr als 70% der Väter Vollzeit, während Frauen nicht oder maximal 50% arbeiten. Ob die neue Sicht des Bundesgerichtes sich bei allen Paaren durchsetzen wird, bleibt offen. Paare, bei denen ein Gatte reduziert arbeitet und damit auch auf eine Karriere verzichtet, sollten auf jeden Fall schriftlich festhalten, wie dieser Verzicht und die damit verbundene Lohneinbusse im Falle einer Scheidung bewertet werden soll.

Die unteren Gerichte müssen nun die Ansprüche der Frauen schützen, welche im Vertrauen auf die frühere Praxis auf berufliches Fortkommen und Karriere verzichtet haben und gleichzeitig ihrem Gatten durch Haushaltsführung und Kinderbetreuung den Rücken beruflich freigehalten haben.

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